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Auf dem Weg zum Busbahnhof in Urumqi treffe ich zufaellig die Backpackerin aus Korea wieder, die im selben Vierbettzimmer im "Euro-Asia Hotel" gewohnt hat. Sie kam gegen Mitternacht ins Zimmer, legte sich in voller Kleidung schlafen und ist nun, in unveraenderter Montur, ebenfalls auf dem Weg zum Busbahnhof. "Ah, Kirgisien", sagt sie, "sehr interessant. Aber Usbekistan ist besser, nur das Visum ist ein bisschen problematisch". Sie selber ist vier Monate zuvor, im April, in Marokko losgefahren und vor ein paar Tagen von Pakistan ueber den Karakorum Highway, der Hochgebirgsstrasse von Islamabad nach Xinjiang gekommen. Auf die Frage, ob es dort, vor allem wegen der Naehe zu Kaschmir, nicht gefaehrlich gewesen sei, weil zumindest das britische Foreign Office und das Auswaertige Amt vor dem Befahren der Strasse abraten, antwortet sie, Pakistan sei ganz wunderbar, und die pakistanische Seite des Karakorum Highways sei wesentlich eindrucksvoller als die chinesische. "Aber der Irak war wirklich interessant", meint sie. "Nein, man bekommt keinen Passstempel, sondern da sind nur diese netten amerikanischen Soldaten an der Grenze, die sich kurz den Pass anschauen". Aber ob es, immerhin nur eine Woche nach Ende der Kampfhandlungen, trotz Begleitung eines in Amman wohnenden japanischen Journalisten, in Bagdad nicht doch ein bisschen unsicher gewesen sei? "Oh, Bagdad, das war ganz wunderbar. Das war eigentlich total friedlich, und die amerikanischen Soldaten waren sehr, sehr freundlich." Nun war sie auf dem Weg in eine Oase irgendwo in der Taklamakan-Wueste.

Am Busbahnhof treffe ich auch den durchgeknallten Deutschen aus Dunhuang wieder, der, immer noch dasselbe blaue T-shirt tragend, auf einen Bus nach Korla wartet. Gestern war ich ihm bereits in der Innenstadt von Urumqi begegnet, wo er mir, mit veraergertem Gesichtausdruck vor sich hinmurmelnd, auf der Strasse entgegenkam.

Der "Sleeper-Bus" nach Kashgar ist entgegen der Aussagen der Mitarbeiterin in der Schalterhalle nicht wirklich neu, sondern schon ziemlich in die Jahre gekommen. Das trifft insbesondere auf die Liege selbst und noch mehr auf die zur Verfuegung gestellte Decke und das Kopfkissen zu. Dafuer ist der Bus spottbillig, meine Kleidung kann ich ja in Kashgar waschen, und zudem sind alle Passagiere, ausser einer jungen Chinesin und mir, uigurische Xinjianger. Die Leute sind freundlich, und es herrscht eine unaufgeregte, herzliche Athmosphaere, so aehnlich wie man sie sich in einem orientalischen Teehaus vorstellt. Das hier hat mit China in der Tat nur noch wenig zu tun.

Hinter Urumqi zieht sich die Strasse nach Kashgar durch die Auslaeufer der Tian Shan-Berge, die ueber weite Teile die Grenze Chinas zur ehemaligen Sowjetunion markieren. DIe Berge wirken, ganz anders als die Alpen, wild, unbewohnt und zerrissen: das roetliche Gestein besteht aus vielen duennen Schichten, die hoch aus dem Boden aufragen und zum Teil spektakulaer abbrechen. Der Fels scheint nicht hart zu sein, sondern viellmehr leicht zu zersplittern, und die Abhaenge sind voll von Schutt und dunklen Gesteinssplittern. An manchen Stellen scheinen die Berge ueberhaupt nicht aus massivem Fels, sondern aus zusammengebackenen Gesteinstruemmern zu bestehen. Die Strasse windet sich waghalsig an einem Flusslauf entlang. Manche der Steinschichten sind leuchtend rot, manche Schwarz, und die Berge haben damit bunte Streifen. Alle diejenigen, die als Kind oder Zivildienstleistende in den Genuss des paedagogisch wertvollen Buches "Jim Knopf" von Michael Ende gekommen sind, werden sich unweigerlich an das "Gestreifte Gebirge" erinnert fuehlen. Wenn man es sich genau ueberlegt, dann spielt das Buch ja auch in China, das "Gestreifte Gebirge" liegt einige Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt, und alles in allem gibt es keinen Zweifel: Michi Ende muss in Xinjiang gewesen sein! Wilhelm Wassmus, Marco Polo, Michael Ende, Djingis Khan -

Nach der Durchquerung der Tian Shan Berge haelt der Bus in Korla, einer alten Stadt an dem Zweig der Seidenstrasse noedlich der Seidenstrasse. Heute ist Korla jedoch, dank des chinesischen Staedtebaus, von viel zu breiten, leeren Strassen durchzogen, die den Ort verlassen und trostlos erscheinen lassen. Es gibt Laghman, das uigurische Nationalgericht, das aus Nudeln und scharf gewuerztem Gemuese besteht. Obwohl fast alle meiner Mitreisenden nur uigurisch sprechen, koennen wir uns dennoch bruchstueckhaft unterhalten, zum Beispiel darueber, dass die meisten aus Kashgar kommen. Der aeltere Mann auf der Schlafliege neben mir ist auch "Kashgari", und so wie er es sagt, klingt ein gewisser Sti\olz auf die Stadt mit.

Der Bus haelt noch ein weiteres mal gegen zehn Uhr abends fuer ein Abend-Laghman und Tee, an einem kleinen Restaurant neben einer riesigen, futuristischen chinesischen Tankstelle. Auch am naechsten Morgen gibt es Laghman und Tee, in der Ferne sind schneebedeckte Berge zu sehen, und gegen fuenf Uhr nachmittags ereichen wir die Aussenbezirke Kashgars. Nach dreissig Stunden in einem heissen Bus und nach fast 1500 Kilometern auf ungeteerten Strassen durch Wueste und Gebirge wird erahnbar, was fuer Reisende frueherer Zeiten eine Oase wirklich bedeutet haben muss. Das hier ist natuerlich ein Kinderspiel gegen den eine wochenlange Reise auf Kamelen, aber alle sind froh, als wir endlich am Busbahnhof ankommen, endlich.
 

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