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Bischkek, die Hauptstadt Kirgisiens, ist eine Stadt, von der man in aller Regel, seien wir ehrlich, absolut nichts weiss. Sie ist nie in den Schlagzeilen, sie hat keine besonderen Bauwerke, und auch sonst draengt sich keinerlei Assoziation mit dem Namen auf: bei Baku mag man an Oel, bei Eriwan noch an das gleichnamige Album von Udo Lindenberg denken, selbst Taschkent sagt einem irgendetwas, aber Bischkek?

Das erste, was ich in Bischkek empfinde, ist das Gefuehl mitten in einer grossen, post-sowjetischen Depression gelandet zu sein. Die Stadt ist nicht haesslich, und mit all den grossen Allebaeumen und alten russischen Gebaeuden sogar eigentlich ganz huebsch. Aber alles ist vernachlaessigt und alles verfaellt, und die weitgehende Abwesenhenheit von neuem hat vor allem den Grund, das kein Geld da ist, um irgendetwas neues anzuschaffen. Alles stammt noch aus der Sowjet-Zeit, die Strassen, die Busse, die Haeuser, und die Uniformen der schlechtgelaunten und schlechtbezahlten Polizisten. Die Welt der alten Sowjetunion, die trotz Mangel dies alles hier geschaffen und instandgehalten hat, liegt wie unter einer duennen Schicht hinter dem Stadtbild und hinter dem neuen, jetzt kirgisischen Alltag verborgen. Was passieren soll, wenn das alles aufgebraucht ist, wenn die Busse nicht mehr zu reparieren, die Haeuser nicht mehr zu retten und die Uniformen endgueltig zerschlissen sind, weiss anscheinend niemand so recht.

Ich erwache in einem der geraeumigen, mit sowjetischen Fabrikmoebeln ausgestatteten Zimmer des Hotels "Kompleks Ibirs". Auch dieses Zimmer ist eine Schatzkammer fuer Freunde von Retro-Mode und gestickten Wandbildern. Die Korridore des "Kompleks Ibirs" erinnern vage an einen Luftschutzbunker, und die meisten Zimmer dienen laut den Tueraufschriften als Bueroraeume fuer kleine Firmen. Ich scheine der einzige Gast im "Kompleks" zu sein. Die Athmossphaere des Hotels lassen Bischkek nicht unbedingt zukunftsgerichteter erscheinen, und ich checke gegen zehn Uhr aus.

Zwei Hollaender in Osh hatten mir die Adresse eines homestays in Bischkek gegeben, also einer Art Bed & Breakfast. Die angegebene Adresse liegt etwa zwei Kilometer entfernt, anscheinend direkt gegenueber der Deutschen Botschaft in der Uliza Razzakowa. Da allerlei Geschichten ueber korrupte zentralasiatische Polizisten im Umlauf sind, die Auslaendern unter der Behauptung fehlerhafter Visa Geld abknoepfen wollen, entschliesse ich mich dazu, mit einem Taxi zu fahren. Natuerlich mag vieles davon eher Geruecht als wahr sein, aber auf der Herfahrt aus Osh wurden wir mehrfach angehalten. Die Polizisten benutzten dafuer uebrigens einen brandneuen Gegenstand, mit dem die kirgisische Polizei anscheinen erst vor kurzem ausgeruestet worden ist: eine eindrucksvolle, neonrote, innen leuchtende Kelle zum Heranwinken von Autos. Jedesmal hatte der Fahrer seufzend in die Innentasche seiner Jacke gegriffen, ein Buendel mit kirgisischen Som herausgeholt und war ausgestiegen, und hatte den Polizisten ein paar Som-Scheine fuer die neue Kelle ueberlassen. Die anderen Leute im Auto nahmen von der ganzen Angelegenheit ueberhaupt keine Notiz. Dennoch machen mich die Geschichten und die Polizisten nervoes. Ich versuche die Polizei schon von weitem zu erkennen, und fuehle eine latente Anspannung, wenn ich ueber die Strasse gehe.

Der Taxifahrer ist, wie schon sein Kollege, der mich mitten in der Nacht ins "Kompleks Ibirs" gefahren hatte, sehr freundlich und symphatisch. Er faehrt einen weinroten Ford Scorpio mit einen gelben Aufkleber fuer "25 Jahre ADAC-Mitgliedschaft".
 

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