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Nachdem ich endlich unter widrigsten Umstaenden mein usbekisches Visum beantragt habe, beschliesse ich zum Issyk Kul See zu fahren. Choro, der Sohn von Mr. Sabyr, der in den Niederlanden studuert hat und mit einer Hollaenderin verheiratet ist, gibt mir ein paar Adressen von "Bed & Breakfasts" rund um den See.

Am Hyatt Hotel frage ich einen Taxifahrer, ob er mich fuer 40 "Som" zum Busbahnhof fahren will. Der Taxifahrer faehrt einen blankgeputzten, etwa 10 Jahre alten Audi 100 und hat erstaunliche Aehnlichkeit mit Ion Tiriac. "Vierzig?", fragt er mich, als ob ich etwas vollkommen absurdes von mir gegeben haette. "Fuenfzig", sagt er, und mit Blick auf das Auto scheint mir das ploetzlich auch richtig, und ich steige ein. Das Innere des Wagens ist noch gepflegter als das Auessere, und er lernt Englisch, indem er sich amerikanische Filme im Kino anschaut.

Wir kommen an der Busstation an, und schon von weitem kommen die Buskartenverkaeufer auf das Taxi zugerannt. Das sind die Momente, in denen man sich fragt, warum man eigentlich nicht zuhause geblieben ist, vor allem, wenn man kein Russisch kann. Das ganze sieht unangenehm aus.

Jedoch fahre ich mit dem juengeren Bruder von Ion Tiriac, und muss mir daher ueberhaupt keine Sorgen machen. "Moment", sagt er, als die Horde auf uns zukommt, "Moment!". Er laesst das elektrisch betriebene Seitenfenster herunter und fragt fuer den Preis nach Tamchi, meinem Fahrtziel; es soll 200 Som Kosten. Er antwortet auf Russisch, laessig aus dem Fahrersitz heraus und hinter der Sonnenbrille hervor, soviel kann ich verstehen: "Hoert mal Freunde, wir sind hier keine Idioti !!" Dann nennt er einen viel niedrigeren Preis, wir fahren ein Stueck vor und dann noch eines, und schliesslich sitzte ich einem Kleinbus nach Tamchi und habe die Mobil-Nummer meines neuen Freundes in der Tasche, den ich auf jeden Fall anrufen soll, wenn es Probleme verschiedenster Art gibt; er wird sie loesen, soviel ist sicher.

Im Bus nach Tamchi ist eine Gruppe juengerer Angestellter einer kirgisischen Firma fuer Telekommunikation, sie befinden sich auf einem gemeinsamen Wochenendausflug an den See. Das Westende des Sees ist etwa zwei Stunden von Bischkek entfernt. Der Issyk Kul ist etwa 150 Kilometer lang, und, von Nord nach Sued, etwa 30 Kilometer breit. In Tamchi, so hat Choro mir erklaert, soll es heisse Quellen geben, und der See friert auch im Winter niemals zu.

Ich werde zu zwei Runden kirgisischem Kognak eingeladen, und die Stimmung im Bus steigt unaufhoerlich. Dann werde ich dazu eingeladen, mit ihnen das Wochenende zu verbringen; da jedoch nur einer von ihnen, Alexeij, englisch spricht und ich nicht so recht weiss ob ich das annehmen soll, fahren wir zuerst zu der Adresse von "Lydia" in Tamchi. Tamchi ist ein verschlafener kleiner Ort aus niedrigen Holzhaeusern und Sandwegen, der so auch in Polen oder Russland stehen koennte. Der See ist tiefblau, und an beiden Seiten ragen schneebedeckte Berge bis auf ueber 5000 Meter auf; der See selbst liegt auf fast 1500 Metern.

Lydias Haus ist ein kleines Paradies. Es gibt einen gruenen Innenhof, liebevoll hergerichtete Zimmer, und einen kleinen, von einer heissen Quelle gespeisten Pool. Lydia selbst ist der vermutlich freundlichste Mensch des Seeufers, und kaum habe ich meine Sachen in das Zimmer gestellt und gehe auf den Hof hinaus, kommt die Gruppe aus dem Bus mit ihrem Gepaeck, die sich spontan entschliesst, auch hierzubleiben.

Mit Wassili, Lydias Ehemann, gehe ich an das Seeufer hinunter. Das Ufer ist eine flache Wiese, auf der ein paar Schafe und Pferde grasen. Wir stehen mit den Fuessen im Wasser und sehen uns den Sonnenuntergang an. Es ist einfach grossartig.

Spaeter laden mich meine neuen Freunde von der kirgisischen Telekom-Firma auf einen Wodka und ein Abendessen auf ihren Holzbalkon ein, danach, erlaeren sie mir, gehen wir zusammen schwimmen. "Saschenka, mit dem Wodka friert man im Wasser nicht, mach dir keine Sorgen", erklaeren sie mir, und sie haben natuerlich recht. Wir gehen zusammen in der Dunkelheit zum See hinunter und nehmen jeder noch einen Kognak. Das Wasser ist kalt und ein bisschen salzig, wenn man es in den Mund bekommt. Der Mond scheint, und das Ufer ist so flach, dass man weit in den See hinausgehen kann, bevor es tief wird. Jemand hat einmal gesagt, Glueck sei der Moment danach, aber das hier ist, jetzt, eine der Sternstunden, daran gibt es ueberhaupt keinen Zweifel.
 

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