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Der Grenzposten nach Turkmenistan liegt mitten in einer Wueste. Ich bin ziemlich nervoes, da ich keine usbekische Zollerklaerung habe, die eigentlich jeder Reisende haben muss, mir jedoch niemand bei der Einreise gegeben hatte. "Da haben Sie ein Problem", hatte mir ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Taschkent am Telefon mitgeteilt, als ob ich mir das nicht selber schon gedacht haette.

Die letzten Meter bis zur Grenze lege ich in einem braunen Wolga zurueck. Dort treffe ich, wie so oft in Zentralasien, spontan jemanden, der mir sofort weiterhilft. Diesmal ist es Wladimir, ein junger russischer Programmierer aus Taschkent, der seine Eltern in Mary besuchen faehrt und sagt, er werde das mit den Grenzern regeln. Schliesslich kann ich das Land verlassen, ohne dass der Zoll wegen der fehlenden Zollerklaerung mein Bargeld einzieht. Ich fuehle mich unglaublich erleichtert; dies hatte mir schlaflose Naechte bereitet. Seitdem ich in Usbeksiatn bin, glaube ich nachvollziehen zu koennen wie es sein muss, auf Dauer in einem Land zu leben, in dem die Freiheit fehlt.

Zu Fuss laufen wir zwei Kilometer durch ein Niemandsland, bevor wir den turkmenischen Posten erreichen. Jedoch wirkt auch hier alles provisorisch und nicht wie eine Grenze. "Das hier ist die Sowjetunion, und das wird auch noch einhundert Jahre so bleiben", sagt Wladimir. Als die Laender unabhaengig wurden, arbeitete er gerade in Taschkent un bekam daher einen usbekischen Pass. Seine Eltern waren in Mary geblieben und wurden zu turkmenischen Staatsangehoerigen, weshalb er ein Visum brauchte, um sie zu besuchen.

Die turkmenische Grenzstation ist nicht viel mehr als eine Huette, in der das Bild des groessenwahnsinnigen Staatspraesidenten haengt, der sich selber offiziell "Turkmenbaschi" nennt, was soviel wie "Vater aller Turkmenen" bedeutet. Sein Gesicht ist ueberall, auch auf den Banknoten, die ich zuvor getauscht hatte. An der Grenze stauen sich Lastwagen aus der Tuerkei und aus dem Iran.

Ich habe genug von Zentralasien: ich sehne mich nach einem freien Land, nach Farbe, nach Strassen ohne Polizeikontrollen. Daher beschliesse ich, nicht in die Hauptstadt Aschgabat, sondern so schnell wie moeglich in den Iran weiter zu reisen.

Wladimir laedt mich zu seinen Eltern nach Mary ein, am naechsten Tag will ich weiter nach Saraghs an der iranischen Grenze.

Wladimir hat seine Eltern seit vier Jahren nicht gesehen, und ist seit sieben Jahren nicht zuhause gewesen, obwohl Taschent nur etwa siebenhundert Kilometer entfernt liegt. Wir sitzen im Wohnzimmer, essen zu Abend und schauen Fernsehen. Nach so langer Zeit dauert es bestimmt lange, bis ein langes Gespraech zustandekommt, und ich fuehle mich hier etwas fehl am Platz.

Mary selbst ist eine Industriesstadt mit breiten, leeren Strassen, die laut Reisefuehrer dem Reisenden nicht viel mehr zu bieten hat als "ueberwaeltigende Langeweile". Am naechsten morgen nehmen wir ein wortkarges Fruehstueck ein, Wladimir und sein Vater begleiten mich zum Platz in der Naehe, von dem aus Sammeltaxis zur iranischen Grenze abfahren. Ich kann es kaum glauben, dass ich die alte sowjetische Welt in wenigen Stunden endlich verlassen haben werde.
 

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