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Nach zweieinhalb Stunden halsbrecherischer Fahrt durch die Wueste erreiche ich endlich den turkmenischen Grenzort Saraghs, ein oedes, trostloses Nest irgendwo im Nichts, nahe der iranischen Grenze. Ich gebe dem Fahrer ein paar Turkmenbaschi-Geldscheine mehr, damit er mich direkt bis zur Grenze faehrt.

Diese Grenze wirkt um die Mittagszeit fast wie ausgestorben. Ein paar einzelne iranische Lastwagen warten auf die Zollabfertigung.

In der Bretterbude sind etwa zwanzig Grenzer beschaeftigt, und zu meinem Glueck spricht die einzige Frau unter ihnen hervorragend englisch. Somit macht es nichts aus, dass auch hier ploetzlich eine Zollerklaerung fehlt, obwohl der turkmenische Konsul in Turkmenistan mir versichert hatte, eine Zollerklaerung sei fuer Transitreisende nicht noetig und ich koenne "Millionen von Dollars" ein- und ausfuehren. Sie bittet mich, eine Erklaerung auszufuellen und sagr, "Mr. Alexander, bitte seien Sie ehrlich und sagen uns, wieviel Geld sie dabei haben. Das brauchen meine Kollegen fuer ihre Unterlagen - haben Sie bitte keine Angst, wie nehmen Ihnen wirklich nichts weg!" Es ist Mittagszeit, und sie sagt, ich koenne in der Kantine der benachbarten Bank etwas zu essen kaufen. Normalerweise haelt einen normalen Menschen nichts laenger an einer schizophrenen zentralasiatischen Grenze als unbedingt noetig, aber in ihrer Begleitung ist dies anders. Die Bank heisst, wie moeglicherwiese vorauszusehen war, "Turkmenbaschi Bank", und die Grenzerin sagt: "Ja, Turkmenbaschi ist unser Praesident, und er ist ein grosser Mann!", aber ich bin nicht ganz sicher, ob dort nicht eine grosse Portion Ironie mitschwingt, es kann eigentlich nicht anders sein.

Zurueck in der Bretterbude bekomme ich einen Ausreisestempel. Der einzige Ausreisende ausser mir ist ein iranischer Lastwagenfahrer, der mich in seinem riesigen "Mack"-Sattelschlepper mit hinueber zur iranischen Grenzstation nimmt. Zwischen den beiden Stationen liegt, auf der ehemals sowjetischen Seite, ein zwei Kilometer breiter Streifen Oedland. Dann kommt ein kleiner Flusslauf, der die eigentliche Grenze bildet. Vor der Bruecke ist ein letzter, verfallener Kontrollpunkt, in dem zwei schwerbewaffnete, wie Cowboys aussehende junge turkmenische Grenzsoldaten noch einmal die Paesse kontrollieren. Dann ueberqueren wir eine Eisenbruecke, und sind ploetzlich auf einem Parkplatz, der schon zum Iran gehoert. Diesen Moment hatte ich in den letzten Wochen oftmals herbeigesehnt.

Das iranische Zollgebaeude ist neu und klimatisiert, die Hinweisschilder sind nicht von Hand geschrieben, sondern modern und wohlgestaltet, die Grenzer sind freundlich und gut angezogen, und schon vom ersten Eindruck bin ich wieder in der freien, westlichen, zivilisierten Welt gelandet, auch wenn das im Zusammenhang mit dem Iran merkwuerdig klingen mag. Von hier aus ist von Turkmenistan nichts zu sehen, nur ein einzelner Wachturm ragt in der Ferne auf. Die Sowjetunion hatte sich hinter zwei Kilometern Niemandsland von der uebrigen Welt zurueckgezogen.

Wenn ich mir diesen Moment in den Tagen zuvor vorgestellt hatte, hatte ich immer ein Gefuehl freudiger Erleichterung erwartet, der totalitaeren Athmossphaere entronnen zu sein. Jedoch fuehle ich mich jetzt zu meiner eigenen Ueberraschung seltsam leer, als haette ich einen Verlust erlitten, oder als haette man mich aus meiner vertrauten Umgebung herausgerissen - auf irrationale Weise fuehle ich mich einen Moment lang schutzlos. Ich erinnere mich, dass Aussiedler oder Fluechtlinge aus dem Ostblock von aehnlichen Momenten berichteten, obwohl ich mich mit ihnen nicht ernsthaft vergleichen kann. Aber vielleicht macht zuviel Staat doch abhaengig.

Ich warte etwa eine Viertelstunde auf meinen Pass, und der iranische Beamte scheint nicht ganz zu glauben, dass ich derjenige auf dem Photo bin. Er vergleicht etwa fuenfmal, und gibt mir dannn den Pass stirnrunzelnd zurueck. Bei der "Bank Melli" tausche ich ein paar Dollars in iranische "Rials", und mache mich auf den Weg nach Maschhad.
 

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