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Ich erreiche Tehran nach einer zwoelfstuendigen Fahrt von Maschhad aus morgens um elf. Schon bei der Ankunft zeigt sich, dass Tehran eine monstroes grosse Stadt ist. Das Busterminal ist auf beruhigende Weise modern, und anders als in Zentralasien oder China sind hier keine Trauben von Taxifahrern, die einen irgenwohin bringen wollen.

Der junge deutsche Diplomat, den ich in Kadschi Say getroffen hatte, arbeitet bei der Deutschen Botschaft in Tehran und hatte mir seine Telefonnummer gegeben. Wir treffen uns an einer Ubahnstation und gehen Mittag essen. Mit seiner Hilfe gelingt es mir endlich einen Reisefuehrer ueber den Iran aufzutreiben, ohne den ich zuvor in Maschhad ziemlich aufgeschmissen war. Schliesslich nehme ich ein Zimmer in dem kleinen "Hotel Naderi" in der Naehe der Botschaft. Nachdem ich in Maschhad das schlimmste Zimmer meiner bisherigen Reise bewohnt hatte, ist das "Naderi" mit seinem geraeumigen und sauberen Zimmer eine wohltuende Abwechslung. Den Rest des Tages verbringe ich im Zimmer und lese den Reisefuehrer.

Obwohl viele dies damit hervortun, wie schrecklich und laut Tehran sei, mag ich die Stadt. Tehran wirkt europaeisch, genauso wie die meisten Tehranis selbst. Dem Hotel Naderi ist beispielsweise das beruehmte gleichnamige Cafe angegliedert, in dem sich, wie es immer so schoen heisst, "die Intellektuellen" treffen, bloss das diese hier tatsaechlich echt zu seinen scheinen. Die Einrichtung ist klassich und karg, und die Bedienungen sind aeltere, wuerdevolle Herren. Das Naderi erinnert ganz stark an ein Wiener Kaffeehaus, und ist allein schon fast die Reise nach Tehran wert. Es befindet sich, bitte notieren, in Jomhuri-ye Eslami-Allee, schraeg gegenueber von der britischen Botschaft. Der Eingang liegt etwas versteckt neben der dazu gehoerenden Konditorei.

Am naechsten Tag ist Samstag, und nachdem am Vortag Freitag war und damit fast alle Geschaefte geschlossen hatten, hat nun wieder alles offen, und der beruechtigte Tehraner Verkehr ist wieder in voller Staerke entbrannt. Auf manchen Buegersteigen sind quer Gitter angebracht, um die allgegenwaertigen Motorradfahrer vom sonst uebliche Befahren der Gehwege abzuhalten. Wie die meisten Staedte seiner Art ist auch Tehran mit seinen ueber zehn Millionen Einwohnern ausser Kontrolle geraten und waechst weitgehend ungeplant. Entsprechend folgt auch der Verkehr nur schwer nachvollziehbaren Regeln.

Am Nachmittag besuche ich mit einem veganen norwegischen Studenten, der etwas persisch spricht und ebenfalls im Hotel wohnt, den nicht weit entfernten, labyrinthischen Bazar. Anders als auf arabischen Bazaren sind die Haendler zurueckhaltend, freundlich und unaufdringlich. Ueberhaupt ist der Iran die grosse Ueberraschung meiner bisherigen Reise: die ueberwaeltigende Freundlichkeit der Leute, die Schoenheit des Landes, die Problemlosigkeit, mit der man herumreisen kann. Ich frage mich, warum hier nur so wenige Auslaender unterwegs sind, zumal alles unglaublich billig ist. Die Fahrt von Maschhad nach Tehran, in einem neuen Volvo-Bus und ueber eine hochmoderne Autobahn, hat nur etwa sechs Euro gekostet und fuehrte ueber fast neunhundert Kilometer.

Abends treffe wieder ich Nils, den jungen Diplomaten, zum Abendessen. Er wohnt in einer traumhaften Wohnung am Nordrand von Tehran. Die Stadt liegt suedlich einer ueber viertausend Meter hohen Bergkette und zieht sich die Abhaenge hinauf. Seine Wohnung liegt auf 1800 Metern Hoehe, waehrend das Zentrum etwa fuenfhundert Meter tiefer liegt. Fuer mich wie ein Wunder hatte auch der Taxifahrer die Adresse gefunden. Die Fahrt fuehrte durch den abendlichen Verkehr durch das moderne und schicke Nord-Tehran, und es ging fast eine halbe Stunde nur bergauf. Wir essen in einem Restaurant, das seinerseits noch hoeher und sozusagen bereits in den Bergen liegt. Danach rauchen wir Wasserpfeife und trinken Tee, und das sei, sagt Nils, die normale Abendbeschaeftigung der gutgekleideten "Tehran Youth"; Bars, Clubs und Diskotheken sind in der Islamischen Republik nicht erlaubt. Die strengreligioesen Vorschriften des Staates wirken vor allem in Nord-Tehran wie ein Anachronismus, oder wie ein schlechter Scherz.
 

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